Das Urteil fällt sowieso

Kommentar zum geplanten Ratingverbot von Hannes Koch

Zutreffende Informationen kann man nur zeitweise unterdrücken. Deshalb mutet EU-Kommissar Michel Barniers Plan kurios an, den privaten Rating-Agenturen zu verbieten, Qualitätsurteile über Staatsanleihen herauszugeben.

Schließlich spielen die marktbeherrschenden Rating-Agenturen eine in der Öffentlichkeit zwar oft umstrittenen, aber von vielen Investoren gewünschte Rolle. Sie sagen Kapitalgebern schlicht, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie ihr verliehenes Geld von den Schuldern zurückerhalten werden.

Andererseits erscheinen die Einschätzungen der Agenturen oft willkürlich und subjektiv. Zudem durchkreuzen sinkende Ratings mitunter richtige Maßnahmen von Regierungen.Während beispielsweise Spanien einschneidende Sparprogramme vorbereitete, um die öffentlichen Schulden zu verringern, senkten die Rating-Agenturen trotzdem ihre Bewertung. Diese Herabstufung machte die Sanierung noch schwieriger, weil die Zinsen stiegen.

In solch brenzligen Situationen kann es gerechtfertigt sein, dass die EU-Kommission die Agenturen verpflichtet, für zwei Wochen Stillschweigen zu wahren. Ein Systembruch wäre das nicht: Denn auch die Börsen unterbrechen den Handel mit Aktien, wenn eine Verkaufspanik ausbricht. Nach einer Rating-Pause und dem Beschluss über ein Sparprogramm sieht die Lage der verschuldeten Regierung möglicherweise besser aus, als die frühere Stimmung erwarten ließ.

Zwei Dinge muss man jedoch wissen: Ein Verbot lässt sich nicht lange aufrechterhalten. Und danach veröffentlichen die Agenturen wieder das, was sie richtig finden. Erscheint die Situation des betreffenden Staates immer noch miserabel, fällt das harte Urteil sowieso – vielleicht unerbittlicher als vorher.