Der bequeme Weg

Kommentar zur Neuverschuldung von Hannes Koch

Mehr Schulden trotz Schuldenbremse – so lautet die neueste Botschaft von Finanzminister Wolfgang Schäuble. Eine merkwürdige Nachricht: Einerseits soll Europa sparen, weil einige Staaten überschuldet sind. Selbst Deutschland steht mit mehr als 2.000 Milliarden Euro in der Kreide. Andererseits plant Schäuble dieses Jahr wieder doppelt so viele Schulden wie 2011. Auf der Hitliste der sinnlosesten Politiker-Begriffe könnte die so genannte Schuldenbremse bald ganz oben stehen.

Was macht der Finanzminister da eigentlich? Er geht den bequemen Weg. Angesichts der augenblicklichen ökonomischen Stärke Deutschlands hofft er auf weiteres Wirtschaftswachstum bis 2016. Schäubles Kalkül: Wenn das Bruttoinlandprodukt beispielsweise um 1,5 Prozent jährlich steigt, kann er sich eine gewisse Neuverschuldung leisten. Im Verhältnis zum BIP würde die Kreditsumme trotzdem relativ zurückgehen und die Schuldenbremse eingehalten – obwohl tatsächlich weitere Schuldenmilliarden hinzukommen.

Grundsätzlich kann dieser Mechanismus funktionieren. Aber der Finanzminister macht es sich doch ziemlich einfach. Ohne allzu große Probleme könnte Schäuble rund zehn Milliarden Euro aus dem Haushalt 2013 herausschneiden – beispielsweise durch zusätzliche Sparmaßnahmen bei Subventionen oder den Verzicht auf die Senkung der Einkommensteuer. Der Anstrengung setzt sich Schäuble aber nicht aus – er legt einen Wohlfühl-Etat vor und hofft, seine Ziele quasi automatisch zu erreichen.

Vielleicht klappt das, vielleicht aber auch nicht. Nach der gegenwärtig soliden Phase wird unweigerlich die nächste Rezession folgen. Dann rufen alle nach antizyklischer Politik – höherer Neuverschuldung, um der Schrumpfung entgegenzuwirken. Gut wäre es, wenn diese Investitionen nicht aus neuen Krediten, sondern zumindest teilweise aus Überschüssen der aktuellen Boomphase finanziert werden könnten. Gegenwärtig sieht es nicht danach aus, als wollte Schäuble diesen Spielraum erwirtschaften. Die christlich-liberale Koalition läuft damit Gefahr, die jahrzehntealte Politik wachsender Schuldenberge fortzusetzen.