Die Macht der Schlichter

Bald auch Ombudsmann für Fluggäste / Schiedsverfahren auf dem Vormarsch

Wenn der Bundestag mitspielt, können auch Flugpassagiere auf eine Schlichtungsstelle hoffen, die ihnen bei einem Streit mit den Airlines zu ihrem Recht verhilft. Der Weg für einen Ombudsmann ist frei, seit sich auch viele internationale Unternehmen bereit erklärt haben, am Schiedsverfahren teilzunehmen. „Durch die Einigung mit den großen Verbänden verspricht die Schlichtung ein echtes Erfolgsmodell zu werden“, sagt Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Jahrelang haben sich die Airlines, anders als zum Beispiel die Bahnen, gegen eine kundenfreundliche Schiedsstelle gewehrt. Noch immer sind nicht alle Unternehmen mit im Boot. Ryanair und Easyjet, über die es von Seiten der Kunden immer wieder Beschwerden gibt, haben sich dem Vorhaben noch nicht angeschlossen. Wohl auch deshalb fährt das Justizministerium zweigleisig. Ein Gesetzentwurf dazu sieht die Einrichtung eines freiwilligen Anlaufpunktes und eines behördlichen vor. An letztere können sich dann die Passagiere jener Fluggesellschaften wenden, die partout nicht mitmachen wollen. „Damit gibt die Bundesregierung ihrer Erwartung Ausdruck, dass auch die an einer behördlichen Schlichtung teilnehmenden Luftfahrtunternehmen die Vorteile einer Schlichtung noch erkennen werden“, heißt es im Entwurf. Anders gesagt: Wenn sich die betroffenen Airlines weiter verweigern, droht ihnen der öffentliche Pranger.

An den Schlichtern können sich Fluggäste in Streitfällen bis zu einem Betrag von 5.000 Euro wenden. Entschädigungsansprüche bei einer Überbuchung der Maschine, die Annullierung von Flügen oder Schäden am Gepäck gehören ebenso dazu wie die Diskriminierung Behinderter. Nach Angaben des Bundesverbands der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) wird die Schiedsstelle auch in Fällen vermitteln, in denen die Airlines bei einer Stornierung des Fluges durch den Kunden die ihm zustehenden Gebührenanteile am Ticket nicht erstatten wollen.

Ob das Verfahren den Kunden wirklich etwas bringt, muss sich erst zeigen. Denn im Gegensatz zu Einrichtungen in anderen Branchen beugen sich die Airlines dem Schlichterspruch nicht automatisch. Der Ombudsmann für die Versicherungen kann dagegen bis zu einem Streitwert von 10.000 Euro abschießend entscheiden.

Die Politik fördert die Versuche zu einer gütlichen Einigung zwischen Verbrauchern und Unternehmen. Dahinter steht auch das Eigeninteresse, für den Steuerzahler kostspielige Gerichtsverfahren zu ersparen. Mittlerweile haben Banken, Fernverkehrsfirmen, die Telekommunikationsbranche, Energieversorger oder auch Rechtsanwälte eine Schiedsstelle eingerichtet. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) findet den Trend gut. Allerdings sollten die Anbieter besser dafür sorgen, dass es erst gar nicht zu Kundenbeschwerden komme, fordert ein Sprecher.

Wie erfolgreich Schlichtungsverfahren sein können, berichtet der Ombudsmann der Versicherungswirtschaft, Günter Hirsch. „Es ist davon auszugehen, dass die Verfahren der alternativen Streitbeilegung zu einer nicht unerheblichen Entlastung der Justiz führen“, erläutert der frühere Richter. Im vergangenen Jahr behandelten seine Schiedsleute fast 18.000 Eingaben, 3,4 Prozent weniger als 2010.Der Ombudsmann werde als Autorität akzeptiert, obgleich die Beschwerdeführer mit dem Ergebnis mitunter Schwierigkeiten hätten. Denn im Gegensatz zur Justiz kann Hirsch nicht selbst ermitteln. Steht Aussage gegen Aussage, geht das Verfahren unentschieden und der Kunde leer aus.

Auch die EU will die Gründung von Schlichtungsstellen befördern. Bis Ende diesen Jahres soll eine entsprechende Richtlinie verabschiedet werden. Grund ist der schleppend zunehmende Handel über die Grenzen der Mitgliedsländer hinweg. Viele Verbraucher meiden den Einkauf im Ausland, weil sie ihre Rechte dort im Streitfall nur schwer durchsetzen können. Das will Brüssel ändern. Verbraucherschützer sind mit den bisherigen Vorschlägen jedoch noch nicht zufrieden, weil sie noch zu wirtschaftsfreundlich sind. So wurde weder die Unabhängigkeit der Schlichter vorgeschrieben noch eine vorherige Tätigkeit des Schiedsmannes auf Seiten der Anbieter verboten.