Wild West in Europa

Kommentar zum deutsch-Schweizer Steuerstreit von Hannes Koch

Urlaub in der Schweiz kann ganz schön gefährlich sein. Drei deutschen Finanzbeamten droht in der Alpenrepublik Gefängnis, weil sie bei der Verfolgung deutscher Steuerhinterzieher gegen Schweizer Gesetze verstießen. Wild West in Europa: Können zivilisierte Nachbarländer ihre Probleme nicht anders regeln als auf dem Rücken ihrer Staatsbürger?

Mit den Haftbefehlen üben die Schweizer Staatsanwälte Druck auf Deutschland aus. Diese Reaktion hat eine Vorgeschichte. Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück zählt in der Schweiz zu den unbeliebtesten Deutschen, weil der den Alpen-Indianern einst mit Kavallerie drohte. Seit Jahren versuchen deutsche Finanzminister und Regierungen, die Steuerflucht hiesigen Kapitals nach Zürich und Genf zu unterbinden. Gerechtfertigt durch den guten Zweck scheute sich die deutsche Seite nicht einmal, CDs mit Kontoinformationen zu kaufen, die Schweizer Banken schlicht gestohlen wurden.

Den Hintergrund dieses Konflikts bilden unterschiedliche Rechtsordnungen. Schweizer Staatsbürger und Gemeinden genießen unter anderem in finanzieller Hinsicht mehr Rechte gegenüber ihrer Zentralregierung als es in Deutschland üblich ist. Für besonders wichtig halten viele Schweizer dabei das dortige Bankgeheimnis. Wobei dieses auch einfach ein Wirtschaftsmodell schützt: Die Schweiz ist im 20. Jahrhundert nicht zuletzt deshalb so reich geworden, weil dort Vermögende jeder Herkunft, auch Kriminelle und Diktatoren, ihre Milliarden auf anonymen Konten verstecken konnten. Davon mag man halten, was man will – trotzdem ist die Schweiz ein souveräner Staat, dessen Regierung sich nicht beliebig herumschubsen lässt.

Und unter internationalem Druck reformiert Bern seine Bankpolitik nun nach und nach. Im fast fertigen Steuerabkommen verpflichtet sich die dortige Regierung, deutschen Finanzämtern bei der Aufklärung von Steuerhinterziehung zu helfen und illegales Altgeld mit akzeptablen Sätzen nachzuversteuern. Trotz Wahlkampfs in Deutschland sollten die SPD-geführten Landesregierungen diesen Kompromiss jetzt akzeptieren. Ständiger Kleinkrieg beansprucht die Nerven aller Beteiligten zu sehr.