Am Freitag bringt Apple Vision Pro auf den deutschen Markt
Für die einen ist das Produkt die nächste Revolution der Technikwelt, für die anderen ein überteuertes Spielzeug ohne dauerhaften Mehrwert. An diesem Freitag bringt der US-Konzern Apple seine Hightech-Brille Vision Pro auf den deutschen Markt. Sie soll Wirklichkeit und Technik verschmelzen – ab 3999 Euro. Experten hoffen auf einen enormen Schub für die Branche, die bisher trotz Milliardeninvestitionen nicht richtig in Gang kommt.
Vorgestellt hatte Apple das Gerät vor einem Jahr. Schon damals waren sich die Experten nicht ganz einig, ob man es wirklich braucht. Andererseits zweifelten viele auch, als der legendäre Apple-Chef Steve Jobs 2007 das erste Iphone zeigte. Es revolutionierte den Mobiltelefonmarkt und stand 2023 für mehr als die Hälfte des Konzernumsatzes von 383,3 Milliarden Dollar (354 Milliarden Euro). Und auch beim Tablet Ipad und der Uhr, auf der man Nachrichten lesen kann, waren viele Beobachter nicht überzeugt. Sie starteten aber durch, weil Kunden den Nutzen sahen. Andererseits kosteten die Geräte deutlich weniger als die Vision Pro.
Seit langem arbeiten verschiedene Unternehmen daran, künstliche Elemente in die echte Welt einzubauen. Meist wird dazu eine Brille mit Minicomputer und Kameras genutzt. So könnte eine Radfahrerin auf ihrem Brillenglas angezeigt bekommen, wie schnell sie ist und wann sie abbiegen muss. Wer den Kölner Dom besucht, erhielte Informationen zu den Reliquien oder den Bauetappen eingeblendet. Bei dieser sogenannten Augmented Reality (erweiterte Wirklichkeit) ließe sich noch mehr zeigen: zum Beispiel die Gesprächspartner eines Telefonats mit Übersee.
Was einfach klingt, ist technisch höchst anspruchsvoll und muss die Kunden überzeugen. Selbst große Technologiekonzerne können da scheitern. So hat Google im vergangenen Sommer nach gut zehn Jahren die Brille Google Glass eingestellt. 2012 vorgestellt, galt das Produkt als revolutionär. Als es 2014 für 1500 Dollar auf den Markt kam, wollte es kaum jemand haben. Ein Grund: Datenschutz. Schließlich hätte die Kamera der Brille jemanden aufnehmen und ihrem Träger nach einer Internetsuche Informationen über die Person geben können. Auch die Version ausschließlich für Unternehmen lief schlecht. Angeblich arbeitet Google aber an einem Nachfolger.
Apple geht einen anderen Weg. Die Brille ist nicht leicht und klein, sondern ziemlich groß. Sie erinnert an eine Skibrille, die die Außenwelt abschirmt. Eingebaut sind Lautsprecher, ein Computer mit zwei schnellen Chips, Sensoren und Kameras. Sie erkennen die Umgebung und projizieren sie als Bild auf die Monitore im Innern der Brille. Außen zeigt ein weiterer Bildschirm die Augen der Person, die die Brille trägt. Apple mischt also virtuelle und echte Welt (mixed reality). Strom bekommt die Brille über einen Akku, der in der Hosentasche getragen werden kann.
Ein Fenster für Textverarbeitung oder ein Videoschirm lassen sich mit wenigen Gesten aufziehen. Für die Person, die die Brille trägt, wirkt es, als könne sie die den Videoschirm im Zimmer platzieren. Auch lassen sich zum Beispiel Zimmer und Mondoberfläche ineinanderblenden. Im echten Zimmer passiert nichts. Gesteuert wird per Blick und Gesten. Bei Telefonaten kann das Gegenüber als digitaler Zwilling angezeigt werden.
Seit Februar ist die Brille in den USA im Handel. Zahlreiche Spezialisten etwa des US-Techportals The Verge oder des deutschen Magazins ct haben sie intensiv getestet. Die meisten loben die Verarbeitung, die eingebaute Technik, die Funktionalität und vor allem den Bildschirm, mit dem sich 3D-Video und Filme schauen lassen. Weniger gut kam das Gewicht von je nach Version 600 bis 650 Gramm und die schwache Akkulaufzeit von zwei bis drei Stunden an. Mancher vermisste ausreichend Anwendungen und eine Killer-App, wegen der man die Brille unbedingt haben muss.
Und dann ist da der Preis. Zwischen 3999 und 4499 Euro sind doch recht viel für ein Gerät, mit dem man Filme spektakulär schauen kann und dabei allein ist. Selbst Apple-Chef Tim Cook erwähnte in einer Fernsehsendung, dass nicht alle sich das Produkt leisten könnten. Er nannte die Brille die „Technik von morgen schon heute“. Das Konkurrenzprodukt des US-Konzerns Meta (Facebook, Instagramm, Whatsapp), Quest 3, ist mit knapp 550 Euro deutlich günstiger. Allerdings ist die verbaute Technik schwächer, die Funktionalität eingeschränkter. Und im Massenmarkt ist das Produkt auch noch nicht angekommen.
Konkrete Zahlen zu den Entwicklungskosten oder Absatzzahlen der Vision Pro gibt Apple nicht. Angeblich sind bisher, 200.000 Exemplar verkauft worden. Der Konzern rechnet der Financial Times zufolge damit, in diesem Jahr 400.000 Brillen abzusetzen. Die US-Investmentbank Morgan Stanley schätzte im Januar, dass Apple bis 2027 mindestens vier Milliarden Dollar mit dem Gerät erlösen könnte – eine übersichtliche Zahl. Allein mit Uhren und Zubehör setzte der Konzern 2023 rund 40 Milliarden Dollar um. Diesen Wert erreichte Vision Pro den Strategen von Morgan Stanley zufolge bis 2030, wenn es sehr gut liefe.
Manche Unternehmen wie Netflix warten noch ab, ihre Angebote für die Brille freizugeben. Möglicherweise ändert sich das, wenn es Apple gelingt, eine deutlich billigere Version auf den Markt zu bringen. Angeblich arbeitet der Konzern daran. Offiziell gibt es keine Auskunft.