Städte in der Vergeblichkeitsfalle

Auch relativ wohlhabende Städte wie Leipzig und Freiburg verlangen mehr Geld und Kompetenzen. Kritik am Wegfall der kommunalen Gewerbesteuer, den die Bundesregierung erwägt

Städte wie Leipzig, Freiburg im Breisgau, Ludwigsburg oder Nürnberg gehören nicht zu den armen Schluckern. Ihre Einnahmen fließen einigermaßen und ihre Neuverschuldung hält sich in Grenzen. Und doch sehen auch sie ihre Vermögenssituation „in einer grundsätzlichen Schieflage“, wie Werner Spec, der Oberbürgermeister von Ludwigsburg bei Stuttgart, am Mittwoch in Berlin sagte. Mit Unterstützung des Rates für Nachhaltige Entwicklung fordern 16 Oberbürgermeister deshalb die „dringende Neuordnung der kommunalen Finanzen“.

Das neue Bündnis repräsentiert Städte, an deren Spitze Sozialdemokraten oder Grüne stehen. Aber auch Kommunen, in denen CDU/CSU- oder parteilose Bürgermeister regieren, sind mit von der Partie. Gemeinsam beklagen sie einen systematischen Widerspruch: Einerseits würden ihre Aufgaben und damit Ausgaben steigen, andererseits könnten sie sich aber nicht eigenständig die dafür nötigen Finanzmittel beschaffen.

Nun könnte man meinen: Klagen auf hohem Niveau. Leipzig, Freiburg und ihre Mitstreiter wachsen, profitieren und verfügen über einkommensstarke Bevölkerungsschichten. Anders sieht es dagegen in Städten wie Oberhausen aus: Wie viele Kommunen besonders in Nordrhein-Westfalen ist diese Gemeinde unrettbar verschuldet. Die Gesamtsumme der aufgenommenen Kredite beträgt das Doppelte des jährlichen Haushaltes. Oberhausens SPD-Bürgermeister Klaus Wehling spricht deshalb von der „Vergeblichkeitsfalle“, die alle Sparanstrengungen nutzlos machten.

Und doch sind diese Nöte auch in den vergleichsweise wohlhabenden Kommunen nicht unbekannt. Infolge der Finanzkrise, steigender Sozial- und sinkender Steuereinnahmen wird das Defizit der deutschen Städte in diesem Jahr rund 14 Milliarden Euro betragen. Gleichzeitig erwägt die Bundesregierung, den Kommunen ihre wesentliche, eigenständige Einnahmequelle zu nehmen: die Gewerbesteuer, die die in den Gemeinden ansässigen Betriebe zahlen.

Aus dieser Konstellation ist das neue Städtebündnis geboren. „Ganz klar: Wir brauchen die Gewerbesteuer“, sagte Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD). Mehr noch: „Wir müssen sie auf die Freiberufler ausdehnen.“ Heute sind Ärzte, Anwälte und andere freie Berufe von der kommunalen Steuer befreit.

Gleichzeitig steht den Städten der Sinn nach grundsätzlicheren Veränderungen. Sie wollen nicht länger akzeptieren, dass der Bund ihre Politik bestimmt, jedoch das nötige Geld schuldig bleibt. Jung empfahl zur Nachahmung ein Beispiel aus Österreich: Dort könnten die Städte ihr Veto einlegen, wenn die Zentralregierung ihnen Aufgaben aufbürde, die die kommunalen Finanzen überforderten. Gut gebrüllt? Wie die 16 Bürgermeister diese Mini-Revolution im deutschen föderalen System durchsetzen wollen, sagten sie nicht.

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Rat für Nachhaltige Entwicklung

„Nachhaltigkeit“ bedeutet, dass die heutige Generation nicht auf Kosten ihrer Nachkommen leben soll. Der Begriff stammt aus der Umweltdiskussion, wird heute aber auch sozial- und finanzpolitisch verstanden. So soll die öffentliche Verschuldung nicht zu stark wachsen, um den Gestaltungsspielraum zukünftiger Generationen nicht einzuschränken. In diesem Sinn unterstützt der Rat für Nachhaltige Entwicklung, ein Beratungsgremium der Bundesregierung, die Forderung der Städte nach ausgeglichenen Finanzen.