Kommentar zur Steuersenkung von Hannes Koch
Stellen wir uns einen Augenblick vor, was unsere Nachbar-Europäer sagen, wenn sie von der geplanten Steuersenkung in Deutschland hören. Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble wollen die Bundesbürger um sieben Milliarden Euro entlasten, während sie den Griechen gerade die Auszahlung von acht Milliarden Euro Hilfe verweigern. Passt das zusammen? Zweifel sind angebracht. Überall in Europa treiben zu hohe Schulden die Regierungen in die Krise – auch hierzulande. Ein Finanzminister, der, wie Schäuble, in Zeiten bester Wirtschaftsentwicklung 25 Milliarden Euro neue Kredite aufnehmen muss, hat kein Geld für Geschenke.
Die Erwägung der Regierung ist, dass sie die Bürger trotz Krise bei Laune halten möchte. Doch diese lange versprochene Wohltat kommt nicht nur zum falschen Zeitpunkt. Obendrein ist sie auch schlecht gemacht. In jedem Fall profitieren nicht nur die Bezieher unterer und mittlerer Einkommen, denen die Regierung die permanenten, heimlichen Steuererhöhungen der kalten Progression ersparen will. Unnötigerweise sparen auch Wohlhabende und Reiche.
Damit wandelt die FDP auf dem bekannten Holzweg. Die Union hat die Zeichen ebenfalls nicht erkannt. Statt weniger Steuern müsste auch die deutsche Regierung ihren Bürgern mehr Abgaben abverlangen – zumindest denen, die es sich leisten können. Sonst werden wir die Krise, die durch zu geringe Einnahmen und zu hohe Ausgaben verursacht wurde, niemals überwinden. Indem er diesen Zusammenhang ignoriert, lässt gerade Schäuble an der Solidität und Vernunft zweifeln, die man ihm oft unterstellt.