Unser aller Hungerbauch

Kommentar zur Steuersenkung von Hannes Koch

Die Regierung suggeriert, wir würden zu viele Steuern zahlen. Deshalb gehe kein Weg umhin, sie zu senken. Um diese Notwendigkeit zu unterstreichen, benutzen Union und FDP die merkwürdige Formulierung vom Mittelstandsbauch. Sie soll sagen: Besonders die Kerngruppe unserer Gesellschaft zahle ungerechtfertigt viele Beiträge an den Staat.

Zum Glück teilt mehr als die Hälfte der Bundesbürger diese Ansicht nicht mehr. Nur etwa ein Drittel der Befragten plädierte in einer ZDF-Umfrage Ende Mai für Steuersenkungen. Die Mehrheit fand es dagegen wichtiger, die Staatsschulden zu reduzieren. Was durchaus plausibel erscheint angesichts der Ereignisse in Griechenland, Irland und Portugal, wo ganze Staaten durch zu hohe Schulden an den Rand des Bankrotts geraten.

Ein Dutzend Mal oder mehr haben die Bundesregierungen seit 1998 die Steuern gesenkt. Den gefräßigen Staat wollte man eindämmen – mit einer gewissen Berechtigung. Nun aber reicht es. Denn was war das Ergebnis? Die Staatsschulden sind so hoch wie nie. 40 Milliarden Euro neue Kredite in diesem Jahr bedeuten: Der Staat hat einen Hungerbauch, keinen Mittelstandsbauch.

Der Grund dafür sind nicht zu hohe Ausgaben. Wir alle, die als Staatsbürger im Staat vereint sind, hegen zurecht gewisse Ansprüche an unsere gemeinsames Leben. Wir wünschen uns gute Schulen für unsere Kinder, vernünftige Universitäten und eine effektive Verwaltung. Das alles kostet Geld, das wir uns selbst – also dem Finanzamt – auch zur Verfügung stellen sollten.