Halbzeit bei der Beteiligung der Bürger für die neuen Stromleitungen – bisher nur 150 Stellungnahmen
Rund 150 Stellungnahmen von Bürgern und Initiativen haben die Unternehmen bislang erhalten, die die neuen Höchstspannungsleitungen planen. Das ist wenig im Vergleich zur Zahl derjenigen, die sich beteiligen könnten: Grundsätzlich darf jeder Bundesbürger mit Kritik und Ratschlägen am Verfahren teilnehmen.
„Wir würden uns freuen, wenn so viele Stellungnahmen wie möglich kommen“, sagt Ulrike Hörchens, die Sprecherin des Unternehmens Tennet. Diese Firma und die weiteren drei Betreiber des überregionalen Stromnetzes planen für die kommenden Wochen mehrere öffentliche Informationsveranstaltungen, zu denen unter anderem die Bürger und Kommunen eingeladen sind.
Gegenwärtig läuft der zweite Schritt für die Trassenplanung der Energiewende. Ende Mai schlugen die Netzfirmen unter anderem vor, vier neue Höchstspannungsleitungen von Norden nach Süden durch Deutschland zu bauen. Diese sollen vor allem den Strom der künftigen Windparks auf Nord- und Ostsee nach Bayern und Baden-Württemberg leiten.
Bis zum 10. Juli können die Bürger Stellungnahmen per Internet oder Brief einreichen. Über Ausbauplan und Stellungnahmen entscheidet dann im Herbst die Bundesnetzagentur. Bis Ende des Jahres soll ein Gesetz vorliegen. Darauf aufbauend kommt 2013 die Planung konkreter Trassen. „Die Wichtigkeit der gegenwärtigen Konsultation ist noch nicht allgemein bekannt“, so Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe.
Warum sich kaum jemand beteiligt, erklärt Wolfgang Schulze von der Initiative „Bürger pro Erdkabel Harzvorland“ so: „Die bisherige Planung ist viel zu unkonkret.“ Schulze, der in der Nähe einer der neuen Nord-Süd-Leitungen wohnt, weist daraufhin, dass die Unternehmen „80 Kilometer breite, schnurgerade Korridore“ auf der Landkarte einzeichneten. Die potenziell betroffenen Bürger würden die Relevanz für ihr Wohnumfeld noch nicht erkennen.
Umwelthilfe-Mitarbeiter Rosenkranz meint zudem, nur Spezialisten würden die Daten, auf denen die Trassenplanung beruht, durchschauen. Er regt an, dass beispielsweise Fachleute der Bundesnetzagentur den Bürgern und Intiativen dabei helfen könnten, Stellungnahmen zu erarbeiten.
Die Erdkabel-Initiative vom Harzrand wird ihren kritischen Kommentar demnächst abschicken. Einerseits will sie erreichen, dass die neuen Trassen auf möglichst langen Strecken unter die Erde verlegt werden. Außerdem sagt Schulze: „Die gegenwärtige Planung verfestigt die alten Strukturen der großen Kraftwerke.“ Vier neue Höchstspannungsleitungen durch Deutschland seien mehr, als tatsächlich gebraucht würden. Wenn mehr Energie dezentral hergestellt werde, könne man auf einige der Neubauten verzichten.
In dieselbe Richtung geht die Kritik des Bundes für Umwelt und Naturschutz. Energieexperte Thorben Becker beklagt die „beinharte Nord-Süd-Ausrichtung“. Die Empfehlung des Umweltverbandes könnte darauf hinauslaufen, auf eine oder zwei Nord-Süd-Trassen zu verzichten. Zweitens kritisiert Becker, dass besonders in Ostdeutschland zu viele Braunkohle-Kraftwerke einberechnet seien. Auch dies könne zu einem geringeren Bedarf an neuen Höchstspannungsleitungen führen.
Der Bedarf an neuen Leitungen scheint auch einer der hauptsächlichen Kritikpunkte zu sein, der in den wenigen bisher eingegangenen Stellungnahmen zum Ausdruck kommt. Außerdem würden einige Einwender bezweifeln, dass die Netzfirmen die Kritikpunkte überhaupt berücksichtigen würden, sagt Tennet-Sprecherin Hörchens. Sie versucht die Bürger zu beruhigen: „Jede Stellungnahme wird ausgewertet und der Plan danach überarbeitet.“
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Info-Veranstaltungen
Informationen zum Netzentwicklungsplan, zur Bürgerbeteiligung und zu den Terminen der öffentlichen Veranstaltungen stehen auf der Seite www.netzentwicklungsplan.de. Am 18.6. findet beispielsweise eine ganztägige Information und Diskussion der Netzfirma Transnet im Haus der Wirtschaft in Stuttgart statt.