Stromtrassen so gut wie fertig

16 Jahre nach Planungsbeginn sind nun alle großen Nord-Süd-Stromleitungen komplett genehmigt – und bald hoffentlich auch in Betrieb.

Es geht voran. Die vier wichtigen Nord-Süd-Stromtrassen sind jetzt vollständig genehmigt. Das teilte die Bundesnetzagentur am Freitag mit. Gerade hat sie den Plan für das letzte Stück zwischen Koblenz und Hofheim am Taunus freigegeben. Bis die Höchstspannungsleitungen funktionieren, dauert es aber noch etwas.

Die dicken Stromkabel dienen dazu, vor allem Windenergie aus Nord- und Ostdeutschland in die Industriezentren der südlichen Bundesländer zu befördern. Teilweise hängen sie an Masten, über weite Strecken werden sie aber im Boden verlegt. Es geht um vier Strecken, die in Niedersachen, Schleswig-Holstein und Sachsen Anhalt beginnen. Sie heißen A-Nord, Ultranet, Südlink und Südostlink. Die Endpunkte liegen in Bayern und Baden-Württemberg.

Der ganze Prozess begann vor gut 16 Jahren. Damals regierte noch das erste Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Der Umweltminister hieß Sigmar Gabriel (SPD). 2009 beschloss der Bundestag das Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen. Denn es stellte allmählich ein Problem dar, dass die neuen Ökokraftwerke der Energiewende vor allem im Norden errichtet wurden, während im Süden die Abschaltung der großen alten Atom- und Kohlekraftwerke bevorstand. Wie sollten die Auto- und Maschinenbauindustrie um München und Stuttgart Elektrizität erhalten?

Augenblicklich wird also an vielen Stellen gebaut. Ultranet, deren letzter Teil jetzt die Genehmigung bekam, werde Ende 2026 fertig, sagte Klaus Müller, der Präsident der Netzagentur. Nach den Plänen sollen alle vier Trassen bis 2028 in Betrieb gehen. Wenn das klappt, hat der Prozess 19 Jahre gedauert.

Zwischendurch gab es unendliches Hin und Her und komplizierte Diskussionen. Lange Zeit ging wenig voran, unter anderem weil sich Bürgerinitiativen gegen die hohen Masten wehrten, die ihrer Ansicht nach die Landschaft verschandelten. So begann die Politik, über Erdkabel nachzudenken. Diese kosten allerdings mehr. Daran entzündete sich die Kritik, dass Ökostrom zu teuer sei. Bauern beschwerten sich, ihre Felder würden durch Kabel unter der Erde erwärmt.

Auch frühere Landesregierungen der CDU in Baden-Württemberg und der CSU in Bayern spielten nicht mit. Sie lehnten Windräder im schönen Voralpenland ebenso ab wie neue Stromleitungen. Lieber wollten sie die fossilen und atomaren Kraftwerke behalten. Zu den Blockierern gehörten zeitweise auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und seine Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Seehofers Nachfolger Markus Söder hat die Zeichen der Zeit inzwischen aber erkannt, jedenfalls momentan. „Wir haben in Bayern Energiehunger“, sagte er kürzlich, als der Bau eines Südlink-Abschnitts in seinem Bundesland begann.

Dass die Vorhaben mit der Zeit schneller voranschritten, hat mehrere Gründe. Einerseits wurde die Bürgerbeteiligung verbessert, wodurch Proteste abnahmen. Andererseits hat man die Planungsverfahren aufgeräumt. Für die Genehmigung der großen Nord-Süd-Trassen ist zum Beispiel die Netzagentur zentral zuständig. Früher lag die Verantwortung bei den Behörden einzelner Bundesländer, was immer wieder zu Problemen an den Landesgrenzen führte.