Der digitale Euro nimmt langsam Formen an
Es klingt sehr einfach. Der Euro wird digital, steckt statt in der Geldbörse in einer Wallet auf dem Mobiltelefon. Brötchen beim Bäcker lassen sich damit ebenso bezahlen wie Blumen oder die Tankfüllung – anonym, sicher, zuverlässig und überall in der Euro-Zone. Die Europäische Zentralbank arbeitet an dem Prestigeprojekt, das noch einige Tücken hat, vor allem technische und politische. Und insgesamt ist unklar, ob die Europäer den digitalen Euro überhaupt haben wollen.
Verhandelt wird schon länger. Seit 2021 beschäftigen sich Experten damit, die Gemeinschaftswährung ins Digitale zu bringen. Im Juni 2023 schlug die EU-Kommission ein entsprechendes Gesetz vor, ohne das nichts geht. Seither ist politisch wenig passiert. Der Rat der Finanzminister muss sich damit beschäftigen, das EU-Parlament ebenfalls. Die EU-Wahl hat das Verfahren zusätzlich ausgebremst. Die neue Kommission will jetzt beschleunigen.
Immerhin bereitet sich die Europäische Zentralbank (EZB) schon auf den digitalen Euro vor. Er wird eine Art Bargeld, nur eben virtuell. Eingeführt werden soll er, weil die Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmend digital bezahlen. Dabei dominieren bisher US-Firmen wie die Kreditkartenunternehmen Mastercard und Visa oder Bezahldienste wie Apple Pay, Google Pay und Paypal. Deshalb will die EZB eine schnelle, sichere europäische Möglichkeit anbieten, um digital zu bezahlen.
Nach jetzigem Stand soll der digitale Euro in eigene Wallets (englisch für Geldbörse) der Banken- und Sparkassen-Apps für Mobiltelefone gesteckt werden. Für Kreditinstitute, die keine eigene Banking-App haben, will die EZB eine entsprechende Software bereitstellen – was nicht alle Geschäftsbanken gut finden, verlieren sie doch etwas Kontrolle.
Klingt sehr technisch? Ist es nicht. Wer bisher schon mit seinem Mobiltelefon bezahlt, weil er eine Karte etwa bei Apple oder Google Pay hinterlegt hat, weiß wie es geht: Karte am Telefon aufrufen, Telefon an Bezahlterminal im Geschäft halten, fertig. Nur, dass eben dann nicht von einem Konto abgebucht, sondern bar bezahlt wird, virtuell ohne Scheine und Münzen. Dass das Telefon wie eine Bargeldbörse funktioniert, macht es zusätzlich kompliziert, schließlich muss zum Beispiel Geldwäsche ausgeschlossen werden. Und es muss klar sein, dass das digitale Bargeld auch wirklich echt ist.
Umstritten ist bisher vor allem, wie viel digitales Bargeld jeder virtuell einstecken darf. Sind es 500 Euro oder doch 3000 Euro? Und wer legt das fest, die EZB oder die EU als Gesetzgeber? Immerhin: Die Summe soll pro Person gelten, was alles komplizierter macht. Hat jemand mehrere Konten, muss das System erkennen, wenn die Grenze überschritten ist. Klar ist bereits: Bekommt jemand mehr digitale Euro, als er oder sie halten darf, wird das Geld automatisch auf einem vorher genannten Konto gut geschrieben.
Nötig für den digitalen Euro ist eine einheitliche europäische Lösung, die es so bisher nicht gibt – ein riesiges europäisches IT-Projekt. Den Kern, die Zahlungsabwicklung, sollen EZB und nationale Zentralbanken selbst programmieren, für viele andere Elemente wie App und Betrugskontrolle sind Angebote eingeholt, die gerade geprüft werden. Im Frühjahr 2025 soll klar sein, wer an der Lösung mitarbeiten darf. Von Herbst an wollen alle bereit sein. Gestartet wird, sobald die EU das Gesetz dafür vorlegt.
Digitale Währungen gibt es unter anderem in Nigeria und in China. Dort haben sich allein mehrere hundert Millionen Nutzer die entsprechende App heruntergeladen. Wie stark der digitale Renminbi tatsächlich genutzt wird, ist unklar. Offiziell handelt es sich offenbar um eine breit angelegt Pilotphase. In China sind die Bezahl-Apps Alipay und Wechat Pay sehr weit verbreitet, digitales Geld der Zentralbank muss sich da im Wettbewerb erst beweisen.
Und auch deshalb sind nach Ansicht der EZB noch viele Diskussionen in Europa nötig, um überraschende Risiken zu verhindern und alle Vorzüge zu erkennen. Tests laufen, eine großangelegte Umfrage wird vorbereitet. Denn bei all dem Aufwand ist immer noch unklar, ob die Europäer das neue unsichtbare Geld auch nutzen werden.