Tratschen muss sein – auch am Arbeitsplatz

Klatsch im Büro ist „sozialer Kit“/ Durch Plauderei finden Mitarbeiter gerade in Krisenzeiten Halt

„Hast du schon gehört, was Frau Müller am Montag gemacht hat?“ „Und was Herrn Schmidt neulich passiert ist?“ Tratschen am Arbeitsplatz kann so richtig spannend sein. Mit Freude tauschen wir uns über die Nichtigkeiten im Leben aus: über modische Fehltritte oder gelungene Haarschnitte, über gut befüllte Lunchpakete, schiefe Krawatten oder schräge Bürogeschichten. Es gibt kaum jemanden, der sich noch nicht am Klatsch über den Chef oder über Kollegen beteiligt hat. Doch warum lästern wir so gerne? Und wo hat der Flurfunk seine Grenzen?   

„Tratsch ist sozialer Kit“, sagt Hans-Michael Klein, Leiter der Knigge-Akademie und Vorsitzender der deutschen Knigge-Gesellschaft. Den Flurfunk zu Rate ziehen und zwischen den Zeilen lesen, sei deshalb eine super Sache, weil sich so zum Beispiel Veränderungen im Unternehmen erkennen lassen. Stehen Umstrukturierungen bevor? Wie lauten die ungeschriebenen Hackordnungen? „Tratsch fördert den Zusammenhalt“,  meint auch Manuel Tusch, Coach und Co-Autor des Buches „Psycho? Logisch! Nützliche Erkenntnisse der Alltagspsychologie“. Angesichts von wirtschaftlichen Krisen und der daraus entstandenen Ängste – zum Beispiel um den Job – sei Zusammenhalt gerade am Arbeitsplatz sehr wichtig geworden, so der Psychologe.

Getuschel in der Kaffeeküche hat also durchaus seine positiven Seiten. Wird es übertrieben, kommen die negativen Aspekte zum Vorschein: Klatsch kann in Mobbing ausarten, wenn er dauerhaft und systematisch betrieben wird. Mit ihm lassen sich Intrigen spinnen. Selbst in Rufmord kann er enden. Positiv Tratschen lautet für den Psychologen Manuel Tusch deshalb die Devise. „Wenn ich der Kollegin stecke, dass mir der Chef neulich sehr hilfreich entgegen gekommen ist, wirkt sich das positiv auf das Arbeitsklima aus“, erläutert er. Wer allerdings zu viel Klatsch erzähle, mache sich unglaubwürdig.

Von zu viel Lästerei hält auch Akademie-Leiter Hans-Michael Klein nichts. Die Goldene Mitte gelte es zu finden, sagt er. Freilich solle man soziale Bereitschaft zeigen und suggerieren „Ihr könnt mit mir tratschen“. Zum anderen dürfe man niemals wirklich wichtige Dinge verraten. Okay ist es also auszuplaudern, dass sich Frau Müller beim Shoppen ein paar neue Stiefel gekauft hat. Tabu ist es, über den Lover der verheirateten Kollegin herzuziehen. „Das ist zwar der Superknüller, aber man macht sich gleich eine Feindin“, gibt Knigge-Experte Klein zu bedenken. 

Offene Ohren haben, Gesagtes auffangen und archivieren, aber auf keinen Fall wirklich relevante Informationen preisgeben, lautet die Regel. Doch was ist, wenn man selbst zum Tratschopfer geworden ist? Für diesen Fall stehen mehrere Strategien zur Auswahl.

Strategie Nummer eins ist die „transparente Konfrontation“ und bedeutet nichts mehr und nichts weniger als die direkte Aussprache mit dem Widersacher zu suchen. Häufig geht das leider nach hinten los. „Man verstrickt sich immer tiefer in die Diskussion und vieles wird so erst virulent“, erläutert Klein.

Strategie Nummer zwei heißt „Totstellen“ – in der Hoffnung dass Gras drüber wächst. Vieles lässt sich eben einfach aussitzen. Die dritte und letzte Strategie lautet „Aktiv Gras drüber wachsen lassen“. Und das geht so: Zuerst findet der Betroffene geschickt heraus, was über ihn gesagt wird. Dabei wendet er sich nicht nur an einen Kollegen. Sondern er fragt mehrere Kollegen – und zwar jeden einzelnen nur etwas. So ergibt sich ein Gesamtbild. „Wer weiß, was über einen gesagt wird, kann gezielt etwas dagegen unternehmen“, urteilt Klein. Ein Wermutstropfen bleibt allerdings: Es ist immer schwierig, gegen Tratsch im Bürodschungel vorzugehen. „Überall lauern Krokodile“, so Knigge-Experte Klein.

Wer über den Chef plaudert, sollte im Übrigen besonders vorsichtig sein. Denn Vorgesetzte müssen unsachliche Angriffe, die ihr Ansehen in der Öffentlichkeit schädigen, nicht hinnehmen – nämlich dann nicht,  wenn der Betriebsfrieden aufgrund der Äußerungen gestört oder das Vertrauensverhältnis zerstört wird. So lautet ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (AZ 2 AZR 418/01). Eine außerordentliche Kündigung ist in diesem Fall gerechtfertigt. „Klatsch findet seine Grenzen, wenn er anfängt sehr persönlich zu werden, Geheimnisse auszuplaudern, jemanden auszugrenzen oder jemandem explizit zu schaden“, bringt es Psychologe Tusch auf den Punkt.