Bundesregierung beschließt neues Bildungspaket für bedürftige Kinder. Neben Gutscheinen kann auch direkt Geld fließen. 2,3 Millionen Kinder haben rechnerisch einen Anspruch auf 250 Euro pro Kopf und Jahr
Die Bundesregierung vereinfacht die neue Bildungsförderung für bedürftige Kinder. Während die Eltern nach den bisherigen Plänen von Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) Gutscheine hätten beantragen müssen, soll der Staat zusätzlichen Musikunterricht und andere Bildungsangebote künftig auch direkt bezahlen können.
Dieser Schwenk der Ministerin dürfte dazu führen, dass die neue Förderung die bedürftigen Kinder unkomplizierter erreicht. Die schwierige Verrechnung mittels der Gutscheine entfällt teilweise. Die Träger der Bildungsangebote können ihr Geld von der Bundesagentur oder der jeweiligen Kommune direkt erhalten. Mit ihrem Kabinettsbeschluss vom Mittwoch hat die Regierung mehrere Maßnahmen auf den Weg gebracht.
So dürfen leistungsschwache Schüler künftig zusätzlichen Förderunterricht in Anspruch nehmen, den der Bund bezahlt. Anders als bisher bekommen bedürftige Schüler auch einen Zuschuss von zwei Euro für das tägliche Mittagessen in der Schule. Eine weitere Verbesserung: Das Bildungspaket deckt die Kosten eintägiger Schulausflüge ab.
Die Regierung will die Förderung aber auch über die Schule hinaus ausdehnen. Zehn Euro pro Monat stehen bedürftigen Kindern zur Verfügung, damit sie Mitglied in Sportvereinen werden oder nachmittags ein Musikinstrument erlernen können. Für den Beitrag zum Fußball- oder Schwimmverein dürften die zehn Euro reichen, beim Musikunterricht wird es aber vermutlich kompliziert. Sehr viele Angebote kosten eher 50 als zehn Euro pro Monat. Hier hakt denn auch der Paritätische Gesamtverband mit seiner Kritik ein. Die Förderung der kulturellen Teilhabe dürfe „nicht bei zehn Euro gedeckelt werden“, sagt Sprecherin Gwendolyn Stilling, sie müsse sich an den tatsächlichen Kosten orientieren.
Außerdem beinhaltet das Bildungspaket 100 Euro pro Jahr und Schüler für den Kauf von Schulheften, Stiften und anderen Unterrichtsmaterialien. Der Schönheitsfehler: Diese Förderung gab es auch bisher schon. Sie kostet etwa 125 Millionen Euro pro Jahr. Von der Leyen rechnet sie trotzdem in das neue Paket ein.
Offiziell kommt die Ministerin deshalb auf eine Summe von rund 700 Millionen Euro jährlich, die für das Bildungspaket zur Verfügung stehe. Zieht man die 125 Millionen Euro für Unterrichtsmaterialien jedoch ab, bleiben tatsächlich nur rund 575 Millionen.
Ein Anrecht auf dieses Geld haben etwa zwei Millionen Kinder, deren Eltern Arbeitslosengeld II (Hartz IV) beziehen. Hinzu kommen 300.000 Kinder in Familien mit sehr niedrigen Einkommen, die den Kinderzuschlag erhalten. Würden alle in Frage kommenden Familien Leistungen der neuen Bildungsförderung in Anspruch nehmen, stünden pro Kind und Jahr rechnerisch 250 Euro zur Verfügung. Da manche auf Anträge verzichten werden, ist die tatsächliche Summe für das einzelne Kind möglicherweise höher.
Sozialverbände und Opposition sind trotzdem nicht zufrieden. So bemängelte die grüne Sozialexpertin Brigitte Pothmer gegenüber dieser Zeitung: „Das Geld, das die Regierung zur Verfügung stellt, reicht keinesfalls aus.“
Auf einen Teil der Kritik der vergangenen Wochen ist Sozialministerin Ursula von der Leyen mit ihrem Gesetzentwurf allerdings eingegangen. Dies betrifft nicht nur die Möglichkeit der Barzahlung statt Gutscheinen. Entgegen ihren bisherigen Plänen können künftig auch die Städte und Gemeinden die Bildungs- und Teilhabeangebote organisieren, wenn sie dies wollen. Die Bundesagentur für Arbeit hatte eine Überforderung ihrer Beratungsstellen befürchtete.
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Bildungspaket und Hartz IV
Neben dem Bildungspaket beschloss die Regierung am Mittwoch auch die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes um fünf auf 364 Euro pro Monat ab 2011. Beides bedarf nun die Zustimmung der Länder im Bundesrat und damit auch der Opposition. Die SPD droht mit Blockade und will Verbesserungen durchsetzen. Nach Berechnungen des Paritätischen Gesamtverbandes müsste der Regelsatz bei mindestens 416 Euro monatlich liegen.