Der Kommentar
Die Bundesregierung braucht ein echtes Verbraucherministerium. Die derzeitige Kombination von Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz in einem Haus ist nicht mehr zeitgemäß.
Die Konsumenten vertrauen niemandem mehr, der gleichzeitig die Interessen der Nahrungsmittelindustrie und die von deren Kunden wahrnehmen soll. In diesem Spagat steht die zuständige Ministerin Ilse Aigner derzeit mit fatalem Ergebnis. Formal klappt die Bewältigung der Dioxinkrise gut. Auch der Vorwurf halbherzigen Handelns stimmt bei genauem Hinsehen nicht. Die öffentliche Wirkung des Krisenmanagements ist dagegen verheerend. Aigner steht per Amt unter dem Verdacht, am Ende doch eher die Landwirtschaftsinteressen im Blick zu behalten. Genährt wird dieser Eindruck durch die immer wieder neuen Skandale, deren Aufklärung stets etwas Licht auf einen mittlerweile weit verwobenen und intransparenten Geschäftszweig wirft, in dem es um Milliarden geht.
Dieser Vertrauensverlust trifft inzwischen viele Branchen, weil die Sitten in der Wirtschaft vielfach verrohen und der Kunde nur als Vehikel der Gewinnmaximierung gesehen wird. Die gesetzlichen Regeln halten auch hier nicht mit dem schnellen Wandel mit. Deshalb brauchen die Verbraucher einen starken Fürsprecher in der Bundesregierung. Aigner hat ihre Sache bisher noch ganz gut gemacht und einige Verbesserungen durchgesetzt, auch wenn es kaum öffentlich wahrgenommen wird. Doch die Macht der Ministerin ist arg beschränkt. Viele Zuständigkeiten liegen in den Händen anderer Ministerien, die sich überwiegend den Wirtschaftsinteressen verpflichtet sehen. So entsteht in der Bevölkerung der Eindruck, dass sie am Ende doch alleine gelassen werden.
Es gibt eine Lösung des Problems. Aus dem Kombiministerium sollte eins für Verbraucherschutz und Ernährung werden, das mit zusätzlichen Kompetenzen – auch in der Gesetzgebung – ausgestattet wird. Dann könnte der Ressortleiter auch die Rechte der Fahrgäste regeln, Google auf die Finger klopfen oder Anleger schützen. Erst recht kann das Haus auf eine maximale Sicherheit bei den Lebensmitteln drängen, weil die Agrarlobby nicht mehr auf der gleichen Etage arbeitet. Für den Steuerzahler muss das nicht teurer werden. Die Landwirtschaft entpuppt sich inzwischen immer mehr als Industrie und sollte folgerichtig im Wirtschaftsministerium betreut werden. Die Landschaftspflege durch die verbliebenen kleinen Höfe sind dann Sache des Umweltministeriums. Anders als mit einer unabhängigen Sachwalterin der Verbraucherinteressen wird sich verlorenes Vertrauen nicht zurückgewinnen lassen.