Die Medizinerausbildung befindet sich im Innovationszug/ Und der fährt in die richtige Richtung
In den 1980er Jahren kannten Jungärzte Patienten im Prinzip nur von weitem. Praktische Erfahrungen waren in der Medizinerausbildung damals kaum vorgesehen. „Das Praktikum in der Chirurgie und der Inneren Medizin fand mehrmals in der Woche im großen Hörsaal statt“, erinnert sich Dr. Roman Duelli, der seinerzeit an der Medizinischen Fakultät Bonn studierte. „Zwar wurden Patienten vorgestellt“, sagt er. „Das große Manko damals war aber, dass die Studenten die Patienten nicht selbst untersuchten.“
Inzwischen leitet Duelli das Studiendekanat der Medizinischen Fakultät Heidelberg. Vieles ist seither besser geworden in der Ärzteausbildung. Zuerst wurde Ende der 1980er Jahre der Arzt im Praktikum – der AiP – eingeführt, den die Absolventen im Anschluss an ihr sechsjähriges Studium anhängten. Den AiP gibt es zwar nicht mehr. Dafür ist der Unterricht insgesamt praktischer geworden. Dafür hat die Änderung der Approbationsordnung im Jahr 2002 gesorgt.
Doch auch wenn sich seit den 1980er Jahren in der Medizinerausbildung so einiges getan hat, Reformen bedarf das Studium immer wieder – auch heute. „Die Gesundheitswirtschaft gilt als Zukunftsbranche“, schreiben die Autoren des Instituts für Arbeit und Technik (IAT) in einer aktuellen Studie. Unstrittig sei, dass ihre Potenziale für mehr Lebensqualität, Wachstum und Beschäftigung nur bei grundlegenden Erneuerungen ihrer Leistungsangebote und Arbeitsprozesse realisiert werden könnten.
Reichen die heutigen Ausbildungsgänge und Studienangebote aus, um den wachsenden Anforderungen gerecht werden zu können? Das war eine der Fragen die sich die Forscher stellten. Weg vom Einzelkämpfer, hin zum Teamplayer: Ans Licht brachte die Studie unter anderem, dass Mediziner in Zukunft verstärkt nicht nur fachliche Leistungen bieten, sondern auch zu einer verbesserten Organisation der Gesundheitsversorgung beitragen müssen – nicht allein, aber im Austausch mit anderen Gesundheitsberufen und im Zusammenspiel mit Leistungserbringern und Kostenträgern. Kommunikations-, Team- und Führungsfähigkeiten müssen gestärkt werden, urteilen die Autoren. „Ziel ist, dass aus Medizinern, die heute oft hochkompetente ,Einzelkämpfer’ sind, patientenorientierte, orchestrierungsfähige Dienstleister, teamfähige Kollegen und empathische Führungskräfte werden.“
„Kommunikation ist ein wichtiger Aspekt im Medizinerberuf“, findet auch Studiendekanatsleiter Duelli. An Schauspielpatienten lernen die angehenden Mediziner in Heidelberg heute den richtigen Umgang mit Menschen.
Heidelberg ist Vorreiter in der Medizinerausbildung. 2001 reformierte die Hochschule unter dem Namen „HeiCuMed“ die Ärzteausbildung, noch bevor die neue Approbationsordnung 2002 eingeführt wurde. „Wir waren so gut aufgestellt, dass wir 2002 kaum noch etwas ändern mussten“, so Duelli. Interdisziplinarität ist seither das Markenzeichen der Heidelberger. Fächer wie Anatomie, Physiologie oder Biochemie werden nicht mehr unabhängig voneinander unterrichtet. „Steht das Herz auf dem Stundenplan, dann bringen wir die Dozenten aus den verschiedenen Fachbereichen zusammen“, erläutert Duelli.
Mit HeiCuMed besitzt Heidelberg einen Reformstudiengang. Auch andere Universitäten warten mit innovativen Reform- oder Modellstudiengängen auf, zum Beispiel die Berliner Charité oder die Medizinische Hochschule Hannover. Enormes Potential schreiben die IAT-Forscher diesen Angeboten zu. Die Studiengänge griffen insbesondere Inhalte wie Patientenorientierung oder Kommunikation auf. Statt an reiner Wissensakkumulation richteten sie sich deutlich stärker an Kompetenzbildung und Problemlösungsfähigkeit aus. „Der Innovationszug in der deutschen Medizinerausbildung fährt mithin insgesamt in die richtige Richtung“, lautet das Fazit der Studienautoren.
Ärzteausbildung im Fokus
Im Auftrag der Kultusministerkonferenz entwickelt die Gesellschaft für medizinische Ausbildung (GMA) gemeinsam mit dem Medizinischen Fakultätentag (MFT) derzeit einen Nationalen kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin wie er in anderen Ländern längst üblich ist. Er soll die vielen verschiedenen Ansprüche an eine zukunftsfähige Medizinausbildung erfassen, sortieren, bewerten und gewichten. Einen solchen Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog begrüßen die Experten, die für die IAT-Studie befragt wurden, mit Nachdruck. Der Katalog ist ein wichtiges Instrument, um die Medizinerausbildung weiter zu verbessern.