Was macht die Autoindustrie?
Der Autoindustrie geht es dank eines boomenden Exportgeschäfts wieder glänzend. Doch der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, warnt vor Risiken, die den Aufschwung gefährden können.
Frage: Experten prophezeien stark steigende Ölpreise. Müssen die Autofahrer bald zwei Euro für den Liter Sprit bezahlen?
Matthias Wissmann: Die Mineralölindustrie erkennt hoffentlich, dass die Belastungsgrenze der Autofahrer erreicht ist. Die Menschen brauchen das Auto, um zur Arbeit zu kommen und um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Autofahren darf daher nicht zum unbezahlbaren Luxus werden. Wenn der Euro gegenüber dem Dollar wieder stärker wird, wirkt das preisdämpfend auf Benzin und Diesel. Die deutsche Automobilindustrie leistet ihren Beitrag, in dem sie immer sparsamere Fahrzeuge entwickelt: Binnen zehn Jahren sank der Durchschnittsverbrauch von neuzugelassenen Pkw deutscher Konzernmarken von 7,5 auf sechs Liter je 100 km.
Frage: Auch die Preise für andere Rohstoffe steigen zum Teil heftig an. Müssen sich Autokäufer ebenfalls auf einen Preisschub einstellen?
Wissmann: Wir tun alles, damit unsere Fahrzeuge bezahlbar bleiben. Die Neuwagenpreise sind kaum gestiegen, vielmehr sind unsere Autos heute deutlich umfangreicher ausgestattet als früher, insbesondere mit Sicherheitsassistenten. Der Kunde bekommt also heute mehr Auto für sein Geld. Größter Preistreiber waren 2010 ganz klar die Kraftstoffkosten.
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Frage: Der Autobranche geht es wieder richtig gut. Ist die Industrie schon über den Berg?
Wissmann: Es gibt durchaus noch Risiken. Unsere große Sorge sind die unsicheren Rahmenbedingungen auf den Finanz- und Rohstoffmärkten. Monopolistische Strukturen bei der Eisenerzförderung treiben die Stahlpreise hoch, und China schottet den Markt für seltene Erden ab, auf die die Industrie angewiesen ist. Die EU-Kommission muss hier deutlich aktiver werden und diesen Entwicklungen entgegentreten. Nötig ist auch eine stärkere Verknüpfung von Entwicklungshilfe und Rohstoffsicherung. Wir können nicht Entwicklungshilfe zahlen und zusehen, wie sich andere Länder – etwa China in Afrika – immer stärker den Zugang zu den Rohstoffen sichern.
Frage: Langfristig werden Benzin und Diesel immer teurer. Wird Autofahren nicht zwangsläufig unbezahlbar?
Wissmann: Die Industrie entwickelt als Antwort darauf immer sparsamere Antriebe. Bis zum Ende des Jahrzehnts sparen wir beim Benziner und beim Clean Diesel noch einmal bis zu 25 Prozent des Verbrauchs ein. Das Drei-Liter-Auto wird bei Kleinwagen Standard werden. In der Oberklasse ist der Fortschritt sogar noch dramatischer: Eine S-Klasse, ein 7er- BMW oder ein Audi A8 kann beim Durchschnittsverbrauch mit sieben Litern auskommen – etwa die Hälfte des Verbrauchs von vor zehn Jahren.
Frage: Müssen für den Klimaschutz nicht mehr Kleinwagen auf die Straße kommen?
Wissmann: Es wäre der falsche Ansatz, beim Klimaschutz nur auf Kleinwagen zu blicken. Die deutschen Autohersteller haben laut offizieller KBA-Zahlen in allen zehn Segmenten – vom Kleinwagen bis zum Familienvan – im Schnitt niedrigere CO2-Emissionen als die Importeure.. Diesen Vorsprung wollen wir weiter ausbauen. So kann der Familienvater mit gutem Gewissen einen Van kaufen, der Single ein kleines Stadtauto. Wir können uns von dem Gedanken verabschieden, dass große Autos zwangsläufig viel verbrauchen. Heute bieten deutsche Hersteller mehr als 260 Modelle an, die weniger als 130 Gramm CO2 ausstoßen, das entspricht einem Verbrauch von weniger als fünf Litern auf 100 km.
Frage: Der Verkehr wächst ungebremst weiter. Für den Straßenbau fehlt das Geld, wie die vielen Schlaglöcher gerade beweisen. Kommt man in Deutschland bald nur noch mit dem Geländewagen ans Ziel?
Wissmann: Ich hoffe, dass es der Politik gelingt, genügend Geld für die Erhaltung der Straße bereit zu stellen. Das hat der Verkehrsminister ja auch zugesagt. Langfristig benötigen wir mehr privates Kapital im Straßenbau. Mehr als 200 Kilometer Straße sind bereits als Öffentlich-Private-Partnerschaft vergeben, weitere knapp 500 Kilometer geplant. Diesen Weg sollten wir weitergehen, denn das entlastet die öffentliche Hand. Außerdem sollten die Einnahmen aus der Lkw-Maut vollständig für Verkehrsinvestitionen ausgegeben werden.
Frage: Die Politik will, dass Sie bis Ende des Jahrzehnts eine Million Elektromobile auf die Straßen bringen. Ist der Wunsch angesichts der technischen Schwierigkeiten und der hohen Kosten realistisch?
Wissmann: Die deutsche Automobilindustrie wird in der Lage sein, diese Fahrzeuge zu produzieren. Aber Elektroautos werden aufgrund der aufwendigen Batterietechnologie noch auf Jahre hinaus zu deutlich höheren Kosten produziert werden als als herkömmliche Pkw. Da müssen die Rahmenbedingungen stimmen, um das Ziel zu erreichen.
Frage: Ohne Zuschüsse für den Kauf läuft also nichts?
Wissmann: Finanzielle Impulse sind das eine – die Förderung kann aber auch andere Formen haben. Wenn E-Mobile die Busspuren nutzen oder kostenlos in der Innenstadt parken dürfen, ist das auch ein Anreiz. Wichtig ist aber, dass zwischen den Autoländern kein Wettlauf um die höchsten Zuschüsse entbrennt. Deutschland, Frankreich und Italien sollten deshalb eine gemeinsame Strategie für die Einführung der Elektroautos entwickeln. Am Ende sollen die Hersteller um die beste Technik konkurrieren und nicht die Staaten um die höchsten Subventionen.